Sind Körungen und Leistungsprüfungen tierschutzgerecht?
Die Körung und Leistungsprüfung junger Hengste dient der Auswahl von Zuchtpferden. Die Zuchtverbände legen die Kriterien für den Eintrag ins Hengstbuch fest, welche im Großen und Ganzen für Deutsche Sportpferde vergleichbar sind. Im Alter von 24-30 Monaten werden die jungen Hengste zur Vorauswahl oder direkt zur Körung vorgestellt. Die Beurteilung der Hengste erfolgt an der Hand auf festem Boden, im Freilaufen und Freispringen. Als zusätzliches Kriterium hat der Hannoveraner Verband seit 2016 das Longieren mit Ausbindern ins Prüfungsprogramm aufgenommen. Auch andere Verbände verlangen eine Vorstellung an der Longe. Das Mindestalter für die Sattelkörung ist 36 Monaten.
Vor Eintragung ins Hengstbuch müssen die jungen Hengste eine Reihe an Prüfungen überstehen, beginnend mit der 14-tägigen Veranlagungsprüfung (VA) für 3- bis 4-jährige Hengste. Danach folgt die 50-tägige Hengstleistungsprüfung (HLP) für 3- bis 7-jährige Hengste. Statt HLP können gekörte Hengste auch über erfolgreiche Sportprüfungen den Hengstbucheintrag erlangen.
Um die jungen Hengste auf diese Prüfungen vorzubereiten werden sie im Allgemeinen bereits als 1,5-jähriges Fohlen aus dem Herdenverband herausgenommen und in Einzelboxen aufgestallt. Dies ist verbunden mit einer drastischen Futterumstellung mit reichlicher Kraftfuttergabe. Alleine diese Umstellung ist mit viel Stress verbunden und kann zur Entwicklung von Verhaltensproblemen führen (Waters et al, 2002).
Seit der Überarbeitung der BMEL Leitlinien Tierschutz im Pferdesport 2020 beginnen die Zuchtverbände zögerlich ihre Anforderungen anzupassen. Der Holsteiner Verband hat angekündigt, dass das Mindestalter zur Körung nun 3 Jahre statt bisher 2,5 Jahre ist und dass die Dressurhengste 2021 nicht mehr longiert werden. Der Hannoveraner Verband hingegen hält fest, „dass eine Körung zweieinhalbjährig im Herbst weiterhin möglich sein wird.“
Die BMEL Leitlinien 2020 haben zumindest erreicht, dass das Alter der Pferde nun in realen Lebensmonaten gerechnet wird und nicht alle am 1.Januar ein Jahr älter werden, egal ob sie im März oder im Juli geboren wurden.
Trotzdem sind die Anforderungen an die jungen Hengste immer noch so hoch, dass gesundheitliche Folgen durch die hohe Beanspruchung auch in Zukunft noch häufig zu beobachten sein werden.
Anforderungen bei der Körung
Insbesondere das Longieren mit Ausbindern in oft hohem Tempo, um spektakuläre Gänge zu provozieren, hat schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit der jungen Hengste.
Die Fixierung der Ausbinder am Sattel oder Longiergurt nimmt dem Pferd jede Möglichkeit dem Zug im Maul zu entkommen. Das ist zumindest frustrierend, könnte die Pferde auch in einen Zustand der erlernten Hilflosigleit bringen (Hall et al., 2008).
Der Zug im Maul wird auch bei jedem Trabtritt erhöht. Clayton et al. (2011) untersuchten verschiedene Ausbindertypen und -längen in Bezug auf Zügelspannung im Trab und fanden, dass sehr hohe Zugkräfte auf das Pferdemaul einwirken insbesondere bei kurzen und unflexiblen Ausbindern von bis zu knapp 30 N (Durchschnitt: 10,1 N).
Wer sich die Körungen oder Videos davon im Internet ansieht, der sieht sofort, dass die Hengste kurz ausgebunden sind und häufig mit der Nase hinter der Senkrechten im hohen Tempo auf der kleinen Kreisbahn laufen.
Smier et al. (2014) untersuchten den Effekt verschiedener Kopf-Hals-Positionen and der Longe auf Herzfrequenzvariabilität, Kortisolwerte und Verhalten. Die Pferde in der Position, welche der auf Körungen entspicht, zeigten die höchsten physiologischen Stressindikatoren und Abwehrverhalten. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass das Fixieren mit Ausbindern für die Pferde unangenehm ist und Stress bedeutet.
Außerdem scheinen die Ausbinder keinen gymnastischen Effekt zu haben. Cottriall et al. (2008) fanden, dass das Longieren auf einem Zirkel ohne Ausbinder ausreiche, um die Rückenmuskeln zu aktivieren. Sie verglichen den Effekt von Ausbindern und Pessoa auf die Aktivität des M. longissimus dorsi im Vergleich zum Longieren ohne Ausbinder und beobachteten, dass die Aktivität höher war beim Longieren ohne Ausbinder und auf der inneren Seite des Zirkels.
Langzeitstudien wären aussagekräftiger in Bezug auf die schädlichen Wirkungen, sind aber experimentell schwer umzusetzen. Blicken wir also auf einige Koryphäen der praktischen Pferdeausbildung.
Viele einflussreiche Autoren und Pferdeausbilder beschreiben die negativen Effekte des Longierens mit Ausbindern:
Auch auf das Maul wirken diese toten Werkzeuge verderblich ein, indem sie das Pferd durch ihren steten Druck entweder veranlassen, sich fehlerhaft darauf zu stützen, und dadurch das tote Maul erzeugen, oder zwingen sich dem Gebiss ganz zu entziehen und hinter dem Zügel zu gehen […]
Jeder beizäumende Zügel, mag er nun einen Namen haben, welchen er will, wirkt eigentlich nur dann gut, wenn er gar nicht wirkt. Ein fortwährend anstehender, beizäumender Hilfszügel ist das Nachteiligste, das man sich denken kann, denn das Pferd spannt, indem es sich auf ihn stützend, dauernd die unteren Halsmuskeln, die es loslassen soll, weshalb der dauernde, derartige Gebrauch eines solchen Hilgszügels ein sicheres Mittel ist, einen Hirschhals herauszuarbeiten.
Gustav Steinbrecht (1996), „Gymnasium des Pferdes“, Georg Olms Verlag
Beim üblichen Longieren werden Ausbindezügel von einem Fixpunkt ausgehend in die Trensenringe geschnallt. Die Longe geht zum inneren Trensenring. Diese üble Technik beruht auf allgemeiner Gedankenlosigkeit. […] Die schlechteste Hand kann nicht so viel Schmerz im Pferdemaul verursachen wie die nahezu absolute Fesselung durch am Sattel oder am Longiergurt fixierte Ausbinde- oder Schlaufzügel. […] Aber selbst bei einem erfahrenen Pferd verursacht eine derartige Zügelung Abstumpfung und ist eine nicht zu rechtfertigende Grobheit. Jede auf das Maul wirkende fixe Fesselung verdirbt nach meiner heutigen Überzeugung mehr als sie hilft. […] Es ist Zeit die beschämende Unbesonnenheit zu beenden.
Fritz Stahlecker (2012), „Pferde, meine Schüler, meine Lehrer – Dressurreiten auf dem Prüfstand“, Franckh Kosmos Verlag
Es gibt sogar Reiter, die sich mit Pferdeausbildung befassen, und die in ihrer Rat- und Gefühllosigkeit zum feststehenden Ausbindezügel, zum flaschenzugartig wirkenden Schlaufzügel und anderen sinnreichen Konstruktionen von Hilfszügeln greifen, welche Kopf und Hals des Pferdes herunterziehen und so eine Beugehaltung erzwingen, die eben nur eine Zwangshaltung sein kann. Man kann solchen Methoden und der nötigen grausamen Ausdauer beste Pferde zerbrechen und ihnen den Lebensmut nehmen. Dann können Schüler darauf Sitzübungen machen. Aber mit Haltung im Sinne von Xenophon hat das nichts zu tun.
Udo Bürger (2006). Vollendete Reitkunst. Müller Rüschlikon. S. 123
Mit diesem Riemen, auch sehr bezeichnend Sperrhalfter genannt, binden wir – primitiv ausgedrückt – das Maul zu. Reiterlich gesprochen begrenzen wir die Kaubewegung oder verhindern sie ganz, falls wir den Riehmen fest anziehen. Jedenfalls beugen wir gewohnheitsmäßig vor, damit das Pferd nicht etwas das Maul aufsperrt oder die Zähne zeigt, selbst wenn der Reiter die Zügel ungeschickt, gewaltsam oder gar roh handhaben sollte. Der gute Eindruck bleibt nach außen gewahrt.
[…] dass im Kaumuskel losgelassene, durch das Genick tretende Pferde es nicht nötig haben, dass man ihnen dem Publikum zuliebe das Maul zuschnürt. Ebenso ist mir klar geworden, dass beim jungen, erstmals gezäumten Pferd, bei dem das Trensenmundstück die Anregung zum Kauen geben soll, das Reithalfter das unbefangene Kauem aber verhindert, eigentlich sinnlos von Anfang an ein Zwang im Kiefer ausgelöst wird, der sich auf das ganze Pferd ausdehnen kann.
Udo Bürger (2006). Vollendete Reitkunst. Müller Rüschlikon. S. 167
Hilfszügel bringen das junge Pferd in eine Haltung, die es noch gar nicht einnehmen kann. Es verliert seine Balancierstange und kann so sein horizontales Gleichgewicht nicht finden. Außerdem haben sie einen bremsenden Effekt über den hinweggetrieben werden muss. Diese widersprechenden Hilfen sind frustrierend und demotivierend für das Pferd.
Xenophon e.V. kritisieren diese Praxis ebenfalls in einem Artikel im Reiten St Georg (Februar 2022).
Auch Reitmeister Martin Plewa äußerte sich kritisch zum Longieren mit Ausbindern und den hohen Ansprüchen beim Freispringen, in seinem Newletter veröffentlicht bei Reiter Revue (08.03.2022) und in der Mai 2022 Ausgabe der Reiten St. Georg.
Hier ein Beispiel, stellvertretend für viele andere, um zu veranschaulichen wie dieses Longieren der jungen Hengste mit Ausbindern aussieht und weshalb Langzeitschäden zu erwarten sind. Wer im Netz nach ähnlichen Videos sucht, wird schnell fündig.
Beachtet dabei auch unbedingt das Pferd im Hintergrund.
Ein Pferd schonend zu starten sieht es anders aus. Und wer als Pferdekäufer ein gesundes Nachwuchspferde erwerben möchte, der sollte davon absehen, ein Pferd auf einer Veranstaltung wie einer Auktion oder Körung zu kaufen.
Ein Pferd sollte ausschliesslich mit Kappzaum und ohne Ausbinder longiert werden damit es seinen Hals als Balancierstange verwenden kann und uns seine natürliche Bewegung zeigen. So können wir Informationen über die Stärken und Schwächen des Pferdes sammeln, welche in die weitere Ausbildung miteinfließen.
Hier ein Beispiel, wie das Pferd seinen Hals beim freien Longieren nutzt und weshalb wir ihn nicht fixieren dürfen.
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Weitere InformationenAnforderungen Vorauswahl und Hengstleistungsprüfung
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) hat in Zusammenarbeit mit den Zuchtverbänden HLP Richtlinien veröffentlicht, die seit Januar 2019 in Kraft sind. Die Züchterverbände haben sich verpflichtet diese in ihr Verbandsrecht zu übernehmen.
Die BMEL Leitlinien zur Veranlagungsprüfung (2003) fordern bereits, dass die Hengste in “remontemässiger Haltung” vorgestellt werden und “Anlehnungsfehler, wie beispielsweise das Gehen hinter der Senkrechten, sollten nicht nachweislich erkennbar sein”. Die jungen Pferde sollen im ruhigen Arbeitstrab geritten werden und “der Versuch, Mitteltrab bei jungen Hengsten herauszureiten, ist zu unterlassen, da dies den Prinzipien der Grundausbildung junger Pferde widerspricht”.
Remontemässige Haltung heisst, dass die Nase vor der Senkrechten, das Genick der höchste Punkt und der Hals lang ist. So kann das Pferd sich unter dem Reiter ausbalancieren. Der Kopf-Hals Winkel ist gut geöffnet. Die eher tiefe Reiterhand bietet einen leichten Kontakt, ohne den Hals des Pferdes formen zu wollen.
Was man allerdings auf Körungen und Leistungsprüfungen regelmäßig zu sehen bekommt sind Pferde mit der Nase hinter der Senkrechten.
Das Fluchttier Pferd wird gezwungen Richtung Boden zu schauen, wodurch es in Stress gerät. Dadurch kann das Genick nicht mehr der höchste Punkt sein. Die Reiterhände sind höher, um dem Pferd eine Stütze zu bieten und den Hals massiv zu formen. Der Schweif pendelt nicht locker, das Pferd trabt unter Spannung.
So kann man das natürliche Schwanken des jungen Pferdes begrenzen und seinen Gang geregelt und spektakulär herausreiten, aber nur auf Kosten seiner emotionalen und körperlichen Gesundheit.
Die Anja Beran Stiftung, die sich unter anderem für den Tierschutz und den Erhalt der klassischen Dressur einsetzt, hat mit viel zeitlichem und finanziellen Aufwand eine Menge von Pferden gefilmt.
In erster Linie sind die Aufnahmen auf Abreiteplätzen von Turnieren und Championaten von jungen Pferden sowie großen internationalen Grand-Prix-Wettbewerben entstanden. Alle Pferde sind nun schwarz, den Reiter:innen wurde wahlweise ein Haarknoten hinzugefügt oder entfernt, denn es tut nichts zur Sache wer da reitet. Von Interesse ist lediglich welche Bewegungsabläufe hohe Noten erzielen.
Remonte im Trab
Schauen wir uns genauer an wie eine Remonte im Trab aussieht wenn sie nach klassischen Prinzipien ausgebildet wird und im Vergleich dazu, wie die dreijährigen Hengste zur Sattelkörung vorgestellt werden.
Links sieht man einen dreijährigen Köranwärter, vorgestellt mit der Nase hinter der Senkrechten. Der Bereich hinter dem Sattel wirkt etwas gerade und der Schweif pendelt nicht locker. Das Pferd trabt unter Spannung.
Rechts ein dreijähriger Warmbluthengst in Remontehaltung mit der Nase vor der Senkrechten, dem Genick als höchstem Punkt, der Hals lang um als Balancierstange zu wirken. Der Winkel Hals-Kopf ist dem Alter entsprechend gut geöffnet. Trickbilder produziert von der Anja Beran Stiftung. Diagonale Beinpaare in blau bzw. rot. (Quelle: Anja Beran „Blickschulung“, Crystal Verlag, 2021)
Das Pferd rechts hat sehr viel Ähnlichkeit mit der obigen Skizze aus der Reitvorschrift H.Dv.12., während das Pferd links weit davon abweicht.
Um dies noch stärker zu verdeutlichen, schauen wir uns die Bewegung im Video an.
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Weitere InformationenDie korrekte Bewegung einer Remonte im Trab (rechts) ist unspektakulär gelassen mit langem Hals, geöffnetem Hals-Kopf-Winkel, der Nase vor der Senkrechten und dem Genick als höchstem Punkt.
Was hingegen bei den Körungen und Leitungsprüfungen regelmäßig präsentiert wird sind junge Pferde mit aufgerollten Hälsen und falschem Knick. Sie sind eng gezogen im Hals, geben aber nicht wirklich im Genick nach, dazu kommt noch, dass sie über Tempo geritten werden und sämtliche Gänge werden bis zum Maximum herausgeritten um eventuelle Kund:innen und Richer:innen zu beeindrucken, und das oftmals noch ausgesessen!
Zur Erinnerung:
Die BMEL Leitlinien (2003), welche die Zuchtverbände unterschrieben haben (!) fordern (S.14): „das Gehen hinter der Senkrechten, sollten nicht nachweislich erkennbar sein”. Die jungen Pferde sollen im ruhigen Arbeitstrab geritten werden und “der Versuch, Mitteltrab bei jungen Hengsten herauszureiten, ist zu unterlassen, da dies den Prinzipien der Grundausbildung junger Pferde widerspricht”.
Die Remonte im Galopp
Schauen wir uns die Remonte im Galopp an und vergleichen die Bewegungen eines Pferdes, das nach klassischen Prinzipien ausgebildet wurde, mit denen die bei Leistungsprüfungen präsentiert (und prämiert!) werden.
Links ein Junghengst in natürlicher Haltung. Die Nase ist vor der Senkrechten, das Genick der höchste Punkt und der Winkel Hals-Kopf ist gut geöffnet. Die Schweifhaltung des Pferdes wirkt entspannt.
Auf der rechten Seite ein prämierter Junghengst, in einem spektakulären aber verzerrten Bewegungsablauf, der unter Spannung bei viel zu engem Hals erzeugt wird. Der Hals-Kopf Winkel ist geschlossen und es bahnt sich bereits ein falscher Knick an. Die Vorhand wird extrem nach oben herausgehoben was konträr zum natürlichen Bewegungsablauf im freien Galopp ist.
Durch diese verspannte exaltierte Bewegung erkennt man bereits die gesundheitsgefährdenden Schwachstellen: Das blaue Hinterbein ist stark durchtrittig, die Fessel nähert sich dem Boden, was die Sehnen stark belastet. Das rote Hinterbein ist hingegen extrem gestreckt, nahezu steif im Vergleich zu dem Pferd auf der linken Seite. Die Bewegung fließt nicht durch den Körper, der Rücken ist festgehalten, was dazu führt dass selbst ein routinierter Profi dies nicht mehr sitzen kann.
Der Hengst stützt sich auf die hohe Hand der Reiterin. Die angespannte Schweifhaltung rundet das Bild ab. Trickbilder produziert von der Anja Beran Stiftung. Diagonale Beinpaare in blau bzw. rot. (Quelle: Anja Beran „Blickschulung“, Crystal Verlag, 2021)
Um bei den Leistungsprüfungen hohe Noten zu erreichen, werden die jungen Hengste eng und in Spannung geritten um exaltierte Bewegungen herauszureiten. Die jungen Hengste sind diesen Ansprüchen körperlich nicht gewachsen. Deshalb ist dies auch in den BMEL Leitlinien (2003) festgeschrieben (s. 14): „Auch hier kann ein kurzzeitiges Verlängern der Galoppsprünge auf beiden Händen der Notenfindung dienen, ist jedoch altersentsprechend vorzunehmen, ohne das Ziel Mittelgalopp reiten zu wollen. ”
Es gibt zahlreiche Videos, online frei zugänglich, die diese allgegenwärtige Praxis bei den Körungen und Leistungsprüfungen zeigen und es ist offensichtlich dass solche ungesunden und exaltierten Bewegungen hoch bewertet werden.
Hier ein Beispiel, stellvertretend für viele andere, ein hoch prämierter Hannoveraner Hengst, bei dieser Veranstaltung gerade mal 35 Monate alt, mit viel Begeisterung über die verspannten und exaltierten Bewegungen präsentiert. In diesem Alter sollte er noch nicht Mal angeritten sein!
Im Vergleich dazu, und um Sie mit einem schönen, korrekten und altergerechten Bild zu lassen, die Ausbildung des Drei-jährigen Achal-Tekkiner Hengstes Gahir.
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Weitere InformationenDie Folgen
In den BMEL Leitlinien (2020) wird der Gebrauch von Hilfszügeln eingeschränkt: „Wird ein Pferd durch Zügelhilfen, Hilfs- oder Korrekturzügel (z. B. Schlaufzügel) häufig oder länger anhaltend in Spannung versetzt oder zu stark beigezäumt, so können erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen. Ein derartiger Zügelgebrauch ist tierschutzwidrig”. Die Anwendung von Hilfszügeln beim Longieren übt unserer Meinung nach „lang anhaltende Spannung“ auf das Pferdemaul aus (Clayton et al., 2011) und damit Schmerzen, Leiden und Schäden dem das Pfed nicht entgehen kann und sollte deshalb als tierschutzwidrig angesehen werden.
Die BMEL Leitlinien (2020) fordern auch, dass „die Zäumung passend und richtig verschnallt sein muss; sie darf weder die Atmung beeinträchtigen noch die Maultätigkeit des Pferdes unterbinden. Daher sollten zwei Finger eines Erwachsenen auf dem Nasenrücken nebeneinanderliegend unter Kinn- und / oder Nasenriemen passen (sog. Zweifingerregel, ggf. Messkeil z. B. der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften (ISES))“.
Es liegen keine Daten vor, ob diese Regel bei den Leistungsprüfungen eingehalten wird, es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Nasenriemen auch dort zu eng verschnallt werden, da dies eine im Pferdesport weit verbreitete Praxis ist. Doherty et al. (2017) vermaßen die Nasenbänder von 750 Turnierpferden mit dem ISES Messkeil und fanden, dass 44% 0,0 Finger Platz ließen, 7% 0,5 Finger, 23% 1 Finger, nur 7 % 2 Finger und nur ein Nasenband (0,1 %) ließ mehr als 2 Finger Platz.
Die Folgen einer zu engen Verschnallung des Nasenbands sind u.a. Stress (Fenner at al., 2015), Knochen- und Weichteilläsionen (Perruccio, 2017, Pérez-Manrique et al., 2020).
Häufig in der Praxis beobachtete gesundheitliche Folgen dieser Leistungsprüfungen sind: Sehnenschäden, diffuse Lahmheiten, Rückenprobleme, Koliken, Magenprobleme, unterschiedliche Probleme an den Hufen, sowie Verhaltensprobleme wie Koppen, Apathie oder extreme Nervosität. Ebenso treten häufig Schwierigkeiten beim Reiten auf wie kurze, abgehackte Gänge oder Passgang, Steigen, Bocken, Zunge aus dem Maul hängen, Zähneknirschen, oder in die eigene Brust beißen.
Tierschutzgerechte Anpassungen
Einige Anpassungen, wie das Lebensalter in tatsächlichen Monaten zu berechnen, sind bereits in der 2020 Überarbeitung der BMEL Leitlinien für Tierschutz im Pferdesport umgesetzt. Zusätzlich schlagen wir folgende Anpassungen für die Körung und Leistungsprüfungen vor, um die Hengste besser vor gesundheitlichen Schäden zu schützen:
- Der Beginn der Ausbildung mit dem Aufstallen und Anreiten, sollte frühestens im Alter von 36 Monaten erfolgen.
- Das Longieren sollte nur mit Kappzaum ohne Ausbinder ausgeführt werden.
- Die Vorauswahl zur Körung sollte frühestens im Alter von 36 Monaten stattfinden, und die Körung frühestens im Alter von 42 Monaten.
- Die Vorstellung bei der HLP sollte frühestens im Alter von 48 Monaten erfolgen.
- Die Einhaltung der Vereinbarungen der BMEL Leitlinien zur Veranlagungsprüfung (2003) und zum Tierschutz im Pferdesport (2020) sollte effektiv kontrolliert werden, wie beispielsweise:- Vorstellung der Hengste in „remontemässiger Haltung“ im „ruhigen Arbeitstempo“ und „ohne Sporen“. – „Der Versuch, Mitteltrab bei jungen Hengsten herauszureiten, ist zu unterlassen“- Der Einsatz von Hilfszügeln sollte untersagt werden da er in den meisten Fällen zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führt. – Korrekte Verschnallung des Nasenriemens (2-Finger Regel oder Messkeil).
Wie können wir etwas ändern?
Die Anja Beran Stiftung und Clickertrainingpferde arbeiten an diversen Aktivitäten, die erreichen sollen, dass die oben genannten Verbesserungsvorschläge zum Schutz der Pferde umgesetzt werden.
Unter anderem haben wir das Projekt dem Arbeitskreis Pferde der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT) vorgestellt, die bereits Unterstützung zugesagt haben, und bei der Tierschutztagung der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e.V.
Die WDR Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ haben ebenfalls einen Beitrag dazu ausgestrahlt am 25.09.2022, verfügbar in der Mediathek (ab Minute 24.12).
Um die Situation für die jungen Hengste zu verbessern, brauchen wir aber noch viel mehr Unterstützung!
Wer sich zusammen mit uns engagieren möchte, den oder die laden wir ganz herzlichen ein, sich in die Email Liste einzutragen um diese Aktion aktiv zu unterstützen.Wir hoffen, dass sich Tierärzt:innen, Züchter:innen, Aufzüchter:innen, Bereiter:innen, Freizeitreiter:innen, Pferdebesitzer:innen und Pferdeliebhaber:innen zusammentun, um etwas in Bewegung bringen.
Wir beginnen mit den jungen Hengsten, aber wir wissen auch, dass das Problem weitgreifender ist. Machen wir einen Schritt nach dem anderen.
Der erste Schritt
Lass uns wissen dass du das Projekt unterstützen möchtest indem du dich in die Email Liste einträgst. Im Anschluss bekommst du mehr Informationen. Du kannst dich selbstverständlich jederzeit wieder abmelden. Deine Email Adresse ist privat und kostbar. Wir respektieren das. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und du bekommst von uns weder Spam noch Werbung.
Weshalb dieses Projekt?
In der Öffentlichkeit wird der Reitsport, häufig zu Recht, kritisiert. Der jüngste medienwirksame Vorfall fand statt während der Olympischen Spiele 2020, ausgetragen 2021 in Tokio, als im Modernen Fünfkampf eine deutsche Athletin wegen ihres harschen Vorgehens, unterstützt von ihrer Trainerin, stark kritisiert wurde, was zu einer Änderung des Reglements führte mit dem Ersatz der Teildisziplin Reiten.
Aber das Problem mit dem Tierschutz im Reitsport beginnt bereits viel früher.
Denn der Großteil der Pferde, die für den Reitsport gezüchtet werden, werden bereits in den ersten Zuchtprüfungen verschlissen.
Junge, erst 3- oder 4-jährige Pferde, die bereits diffuse Lahmheiten zeigen, Stoßwellentherapien hinter sich haben, mit Rücken- oder Magenproblemen, Koliken und Verhaltensstörungen.
Solche Pferde, die dieses Prüfungssystem nicht überstehen, schaffen es gar nicht erst auf die Turniere. Da wird ein junger 2,5-jähriger Hengst als aussichtsreicher Vererber und Sportpferd zu einem hohen Preis verkauft, doch dann hört man nichts mehr von ihm und er verschwindet von der Bildfläche. Er wird schnell ersetzt von einem anderen potentiellen Spitzenvererber.
Eine Anzahl solch gescheiterter Hengste steht übrigens im Ausbildungsstall von Anja Beran. Die Anja Beran Stiftung kümmert sich um die sehr aufwendige Rehabilitation dieser Hengste.
Würde man diesen jungen Pferden allein ein Jahr mehr Zeit geben, da wäre schon viel gewonnen. Das Longieren mit Ausbindern mit seinen schlimmen Folgen für die Pferde war vor ein paar Jahren nicht nötig, weshalb braucht man es jetzt? Und würden die Zuchtverbände die BMEL Leitlinien, die sie unterschrieben haben, tatsächlich umsetzen, dann wäre die Situation nicht ganz so dramatisch.
Hinter der Aktion stehen Anja Beran mit ihrer Stiftung und Dr. Michaela Hempen, Tierärztin und Pferdewissenschaftlerin, und hoffentlich bald noch viele weitere Aktivist:innen.
Anja und Michaela